Mit der heutigen Woche betreten wir auf dem Yogaweg die zweite (ethische) Stufe (niyama) des achtfachen Pfades. Im Fokus heute steht die Reinheit (śauca)! 

Patañjali gibt uns mit den ›niyama‹ fünf Leitlinien für das persönliche Leben:
Reinheit (śauca), Zufriedenheit (saṁtoṣa), Selbstdisziplin (tapas), Selbstbeobachtung (svadhyāya) und Hingabe an ein höheres Prinzip (īśvarapraṇidhāna) sind die fünf Leitlinien (niyama).

Reinheit spielt im Yoga eine sehr bedeutende Rolle.

Deshalb sind diesem Aspekt, als Einzigem der inneren Disziplinen, auch zwei Sūtren gewidmet.

Yoga Sūtra II.40  
शौचात्स्वाङ्गजुगुप्सा परैरसंसर्गः ॥४०॥
śaucāt svāṅga-jugupsā parair asaṁsargaḥ ॥40॥ 
Übersetzung:
Aus der Übung der Reinheit entsteht eine Abneigung gegen den eigenen Körper und gegen die Berührung mit anderen Körpern. 

Yoga Sūtra II.41 
सत्त्वशुद्धिसौमनस्यैकाग्र्येन्द्रियजयात्मदर्शनयोग्यत्वानि च ॥४१॥
sattva-śuddhi-saumanasyaikāgryendriya-jayātma-darśana-yogyatvāni ca ॥41॥
Übersetzung:
Sie [die Übung] führt auch zu innerer Reinheit, Güte, Konzentration, Beherrschung der Sinne und macht einen fähig zur Schau des eigenen Selbst. (Deshpande et al., 2010, S. 121).

Beim Durchlesen der ersten Übersetzung entsteht zumeist Ablehnung, Widerstand und Unverständnis. Geht es im Yoga nicht um Annahme und Verbindung?

Versuchen wir herauszufinden, was damit gemeint sein könnte:

Im Yoga Sutra II.40 geht es um die Reinigung des Körpers. Hierzu werden verschiedene Techniken (kriya-yoga) empfohlen, die die Körperöffnungen bis in die Tiefe säubern und bei uns im Westen eher eine untergeordnete Rolle spielen, wie z. B. die Nasen-Rachenreinigung, Reinigung des Tränenkanals und der Verdauungsorgane mittels Schlauch oder Einlauf. Diese mechanischen Methoden holen jede Menge Unrat aus dem Körper und führen in der Regel zu Ekel und Abneigung.

Es geht hier also nicht um die Ablehnung des eigenen oder anderer Körper!!!

Vielmehr zeigt uns der Körper, was er durch unsere Lebensweise, durch unser Denken und Fühlen, durch unsere verzerrte Wahrnehmung anhäuft, sammelt, verarbeitet oder wegstecken muss. Davon will der Yogi den Körper befreien! Die äußere Reinigung (körperlich) ist nur die Vorstufe für die innere Reinheit (psychisch). Wenn der Körper verschleimt, träge, krank, unbeweglich, oder unhygienisch ist, wird es auch der Geist sein – wie innen so außen! 

Daher ist die Selbstreinigung Wesensbestandteil des achtfachen Yogaweges!

Es ist, als würdest Du einen Spiegel putzen, den Du auf dem Dachboden gefunden hast. Erst machst Du ihn äußerlich sauber (Körper), um dann das Glas solange zu putzen (Psyche), bis Du Dich klar, rein und in Deinem Kern (Seele) erkennen kannst.

Ich wünsche Dir viel Freude mit der Selbstreingung in dieser Woche.

Herzlichst
Jana & Team

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